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Busse bei Besuchsrechsverweigerung und Elternenfremdung, Pflichtmediation - Ein wegweisender Bundesgerichtsentscheid

 

wichtige Passagen (blau)
 
Es geht um ein Paar - nicht verheiratet mit 4 Kindern. Die Mutter verweigert Besuchsrecht. Der Vater fordert Besuchsrecht und Pflichtmediation.
 

Die Vormundschaftsbehörde wies die Beschwerdeführerin (Mutter) an, die am 8. Februar 2001 genehmigte Vereinbarung betreffend den persönlichen Verkehr einzuhalten, die Daten für das Besuchs- und Ferienrecht 2008 mit dem Beschwerdegegner festzulegen und sich zusammen mit ihm in eine Mediation zu regelmässigen Gesprächen zu begeben. Ausserdem wurde die Beschwerdeführerin ermahnt, ihre elterliche Verantwortung gegenüber ihren vier Kindern wahrzunehmen und auf die Ermöglichung des väterlichen Besuchs- und Ferienrechts aller vier Kinder hinzuwirken.

 

Das Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau (DJS) fügt hinzu:

 

4. Beschwerdeführerin (Mutter) und Beschwerdeführer (Vater) werden angewiesen, sich bezüglich der bestehenden Konflikte

in regelmässige Mediationsgespräche unter fachlicher Leitung zu begeben. Dabei ist auch zu prüfen,

inwieweit die Kinder in solche Gespräche einzubeziehen sind. Die Beschwerdeführerin wird diesbezüglich

angewiesen, die von Fachpersonen empfohlenen Beteiligungsformen gegenüber ihren Kindern durchzusetzen.

 

5. Die Beschwerdeführerin wird ferner angewiesen, sich an die mit Beschluss vom 8. Februar 2001 durch die

Vormundschaftsbehörde Z.________ genehmigte Vereinbarung betreffend Regelung des persönlichen

Verkehrs zwischen dem Beschwerdeführer und allen vier Kinder zu halten.

 

6. Die Beschwerdeführerin wird dringend ermahnt, ihre elterliche Verantwortung gegenüber ihren vier

Kindern künftig konsequent und ernsthaft wahrzunehmen, insbesondere die ihr als obhutsberechtigtem

Elternteil zufallende Pflicht, aktiv und unter Einsetzung ihrer Erziehungsgewalt und den ihr zustehenden

Erziehungsmitteln auf die Ermöglichung des Besuchs- und Ferienrechts aller vier Kinder hinzuwirken und

alles zu unterlassen, was das Verhältnis der Kinder zu ihrem Vater negativ beeinflussen kann.

 

Bei Unterlassung dieser Bestimmungen wird der Mutter mit Busse gedroht.

 

Das Bundesgericht bestätigt die Weisung der Vormundschaftsbehörde und des DJS. Nachfolgend einige Ausschnitte aus der Begründung des Bundesgerichts:
 

Es obliegt der Mutter, die zumutbarenVorkehren für die Einhaltung der ursprünglichen Besuchsrechtsregelung zu treffen bzw. nichts zu unternehmen, was die Ausübung des Besuchsrechts durch den Beschwerdegegner vereiteln könnte.

 

Der zumindest sinngemässe Einwand der Beschwerdeführerin, die Kinder lehnten jeden Kontakt zu ihrem Vater ab, weshalb sie selber nicht gezwungen werden könne, das vereinbarte Besuchsrecht durchzusetzen, verfängt nicht. Nach den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (Art. 105 Abs. 1 BGG) hat sie die Kinder manipuliert und deren ablehnende Einstellung zum Vater zu verantworten (s. E. 2). Es wäre geradezu stossend, wenn sich die Beschwerdeführerin nach "erfolgreicher" Manipulation auf das Verhalten und die Meinung der Kinder berufen könnte. Dies gilt umso mehr, als gerade wegen der Beeinflussung durch die Beschwerdeführerin die wahre Meinung der Kinder nicht wirklich feststeht.

Es ist allgemein anerkannt, dass aufgrund des schicksalhaften Eltern-Kind-Verhältnisses die Beziehung des Kindes zu beiden Elternteilen sehr wichtig ist und bei dessen Identitätsfindung eine entscheidende Rolle spielen kann (BGE 130 III 585 E. 2.2.2 S. 590). Dies ist mit ein Grund, weshalb selbst dem urteilsfähigen Kind mit Bezug auf den persönlichen Verkehr mit seinen Eltern kein Selbstbestimmungsrecht zusteht (vgl. BGE 100 II 76 E. 4.b S. 82 ff.). Freilich ist auf die Meinung des (urteilsfähigen) Kindes angemessen Rücksicht zu nehmen (Art. 301 Abs. 2 ZGB). Selbst wenn dieses sog. "Pflichtrecht" in erster Linie dem Interesse des Kindes dient, steht es dem sorge- bzw. obhutsberechtigten Elternteil (hier: der Beschwerdeführerin) nicht zu, eigenmächtig zu entscheiden, ob der persönliche Verkehr der Kinder mit dem anderen Elternteil notwendig ist oder nicht. Namentlich sollen allfällige Differenzen zwischen den Eltern nicht zum Abbruch der Beziehungen der Kinder zum nicht sorge bzw. obhutsberechtigten Elternteil führen.

 

Allein die Tatsache, dass die Kinder nicht freiwillig zum Vater Kontakt unterhalten, vermag jedenfalls keine Gefährdung des Kindeswohls zu begründen.

 

Trotz der ablehnenden Haltung der beiden älteren Kinder ist darauf hinzuweisen, dass eine - wenn auch nur minimale - Vater-Kind-Beziehung von grosser Wichtigkeit ist.

 

Die Beschwerdeführerin (Mutter) hat zur Kenntnis zu nehmen, dass die Beziehung jedes Kindes zu beiden Elternteilen sehr wichtig ist und Interessen der Eltern dabei zurück zu stehen haben.

 

Das Bundesgericht spricht von: „Diese von Rechtsprechung und Lehre einhellig als massgeblich anerkannten Faktoren für die Persönlichkeitsentwicklung…“

 

Die Nichteinhaltung des Besuchsrechts ist der Anfang des Entfremdungsprozesses, und die sanktionslose Hinnahme dieses Verhaltens für den manipulierenden Elternteil Rechtfertigung für weitere Übertretungen mit der Folge weiteren Machtgewinns (Liselotte Staub/Wilhelm Felder, Probleme im Zusammenhang mit dem Besuchsrecht, in: Kind und Scheidung, Hrsg. Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz, S. 141). Mit der angeordneten Mediation wird den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, zu erkennen, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist und die Wiederaufnahme des Dialogs hauptsächlich im Interesse der Kinder liegt.