Die diskriminierten Scheidungsväter
 
Wenn Mütter nach der Scheidung die Kinder als Waffe gegen den verhassten Ex-Mann instrumentalisieren, schaut Mutter Helvetia meist duldend zu. Hier besteht dringend Handlungsbedarf.
 
Beat Kuhn
 
1981 haben die Schweizerinnen und Schweizer an der Urne den «Gleichstellungsartikel» in die Bundesverfassung aufgenommen: «Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tatsächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.»
Seither ist die vormalige Diskriminierung der Frauen in der Gesellschaft einer weitgehenden Anerkennung gewichen, sind die Frauen den Männern in vielen Bereichen gleichgestellt. Eine Ausnahme bildet zum Beispiel das Militär. Beklagt wird von jenen Organisationen, die sich für die Sache der Frau einsetzen, allerdings nicht die fehlende Wehrpflicht für Frauen, sondern in allererster Linie die von ihnen geortete Ungleichbehandlung bei den Löhnen. Frauen würden für gleichwertige Arbeit noch immer mit 20 Prozent weniger entlöhnt als Männer, heisst es immer wieder mal in den Medien.
Kaum ein Thema in der Öffentlichkeit ist es dagegen, dass in einem Teil des Bereichs Familie, der im Gleichstellungsartikel ebenfalls explizit genannt wird, inzwischen eine Diskriminierung der Männer eingesetzt hat. Nämlich der Männer, deren Ehe in die Brüche geht, im Allgemeinen sowie der Männer, die Kinder haben, im Besonderen.
 
Schuld ist keiner - doch, der Mann
 
Dass die eigene Ehe scheitern könn- te, denkt wohl kaum ein Paar, solange es glücklich und zufrieden ist, selbst wenn jeder Mann und jede Frau wissen kann, dass sich die Scheidungsrate inzwischen der 50-Prozent-Marke nähert. Und es wird noch immer wacker geheiratet. Auch heute noch verzichtet nur jedes sechste Paar in der Schweiz auf den traditionellen Trauschein und lebt im progressiven Konkubinat.
Das Sprichwort, dass Liebe blind macht, ist bei einer Scheidung dann zumindest für den Mann fatal. Da gehen ihm die Augen auf. Zuvor hat er bestenfalls mit einem Ohr hingehört, dass seit dem Jahr 2000 ein neues Scheidungsrecht gilt und dass dieses die angeblich leidige Frage, welcher Partner «schuld» sei am Scheitern der Ehe, entsorgt habe. Nun aber sieht er, dass heute zwar tatsächlich keinem der beiden Partner mehr explizit das Etikett «schuldig» angehängt wird. Doch lernt er in einem unfreiwilligen Schnellkurs in Scheidungsrechtspraxis, dass der Mann rechtlich oft so krass benachteiligt wird, dass ihm das vorkommt wie quasi eine implizite Zuweisung von «Schuld».
 
Finanzielles Ausbluten ...
 
Solange keine Kinder im Spiel sind, kommt der Mann oft glimpflich davon. Denn wenn die Frau vor der Scheidung arbeiten gegangen ist, muss sie dies auch danach tun. Und wenn sie noch nicht Mitte 40 ist, muss sie sich, auch wenn sie zuvor nicht erwerbstätig war, einen Job suchen gehen.
Selbst im kinderlosen Fall werden von den Gerichten freilich mitunter so hohe Unterhaltszahlungen für die Frau errechnet, dass der Mann zunächst glaubt, der Richter leide an Dyskalkulie, an Rechenschwäche. Bis ihm sein Anwalt erklärt, dass sich die gängige Rechtspraxis eben danach ausrichte, dass die Frau möglichst ihren gewohnten Lebensstandard weiterführen können soll. Dass der Grossteil aller Scheidungen, drei Viertel, von der Frau ausgehen, könnte auch damit zusammenhängen.
Der geschiedene Mann muss dagegen oft «in die Mansarde», wie es der Schwyzer CVP-Nationalrat Reto Wehrli ausdrückt. Er, der selbst geschieden ist und eine kleine Tochter hat, ist der Einzige im Parlament, der sich aktiv für die Gleichberechtigung der geschiedenen Männer einsetzt. Diese sehen in ihm einen Hoffnungsträger. Zu Recht. Denn sein Postulat für das gemeinsame Sorgerecht als Regelfall nach der Scheidung, das letzten Herbst mit satter Dreiviertelmehrheit gegen die Stimmen von Rot-Grün an den Bundesrat überwiesen worden war, sei «nur der Anfang» einer Reihe von Vorstössen gleicher Zielsetzung gewesen, sagt er.
 
... Besuchsrechtsverletzungen ...
 
Knüppeldick treffen kann es den von der Frau verlassenen Mann, wenn Kinder im Spiel sind. Erstens verliert er den bisher selbstverständlichen, alltäglichen Kontakt zu seinen Lieben. Zweitens hat er einen Grossteil seines Lohnes jeweils umgehend auf das Konto der womöglich aus dem gemeinsamen Wohnort weggezogenen Ex-Frau zu überweisen. Wobei wegen des Umstandes, dass zwei Haushalte teurer sind als einer, sowie wegen der gängigen Praxis, dass Mütter, die Kinderbetreuungsarbeit leisten, nicht oder nur Teilzeit arbeiten gehen müssen, beide Ex-Partner in aller Regel auf dem Existenzminimum leben müssen - und es dabei oft noch Sozialhilfegelder vom Staat braucht. Und drittens hat der Mann zusätzlich zu seinem üblichen 100-Prozent-Job neu einen eigenen Haushalt zu führen, während der Anfall an Hausarbeit für seine «Ex» deutlich abnimmt.
Doch damit oft nicht genug. Denn nicht selten zahlen Frauen dem «Ex» ihre in der Ehe nicht erfüllte Glückserwartung oder seelische Verletzungen heim, indem sie die Kinder instrumentalisieren und als Waffe missbrauchen. Die Verweigerung gerichtlich angeordneter Besuchsrechte durch Mütter etwa ist in der Schweiz an der Tagesordnung, teils auch als Druckmittel zur Erpressung höherer Alimente. Und zwar bisweilen auf Monate, ja manchmal sogar auf Jahre hinaus. Pocht ein Vater dann auf sein Recht, wird meist der Killersatz erwidert: «Wir können die Kinder doch nicht mit dem Polizeiauto abholen.» Als ob man rechtsbrecherische Mütter nicht mit der Androhung einer Busse oder des Entzugs der Obhut über die Kinder schnell wieder auf den Pfad der Tugend zurückführen könnte.
Rechtliche Grundlagen für die Duldung solcher klaren Rechtsbrüche haben Behörden jedenfalls keine. Und man kommt nicht darum herum, sie der Willkürjustiz zu zeihen, wie sie eine Bananenrepublik kennzeichnet. Sistiert ein Vater im Gegenzug übrigens die Unterhaltszahlungen an die Frau, kommt dieser eine Stelle namens Alimenteninkasso zu Hilfe. Dieses betreibt den Vater erst. Zahlt der dann immer noch nicht, holt es sich das Geld durch gerichtliche Verfügung direkt beim Arbeitgeber des Vaters. Und allenfalls wird der Vater sogar inhaftiert.
 
... und gar Missbrauchsvorwurf
 
Aber selbst die Besuchsverweigerung ist noch nicht die schärfste Waffe im Arsenal rachsüchtiger Ex-Ehefrauen. So greifen manche Mütter gar verbal zum Zweihänder und werfen dem Verflossenen wahrheitswidrig vor, den Kindern Gewalt angetan zu haben.
Und der absolute Totschlagvorwurf von Frauen ist es, den «Ex» zu Unrecht zu bezichtigen, dass er die Kinder sexuell missbraucht habe - was kleinere Kinder nicht umgehend richtigstellen können, weil sie gar nicht verstehen, worum es da geht. Wenn dieser Vorwurf erhoben wird, «laufen die Behörden und Fachstellen Amok», so eine Fachfrau, vergleichbar den Hexenverfolgungen des Mittelalters. Da wird der Kontakt zwischen Vater und Kindern entgegen der sonst üblichen Unschuldsvermutung dann über Monate hinaus auf einige Stunden im Monat unter Aufsicht reduziert. Dabei weiss man, dass sich dieser Vorwurf in der Schweiz in neun von zehn Fällen, wo er in Trennungskonflikten erhoben wird, als haltlos erweist. Dann wird der Vater zwar entlastet. In der Zeit der Abklärungen aber geht er durch die Hölle. Und mancher bricht unter diesem psychischen Druck zusammen.
 
Wider rechtliche Privilegien
 
Wohl verstanden: Die Mehrheit der Paare geht in Anstand und Ehren auseinander. Und es ist auch nicht so, dass Frauen die schlechteren Menschen wären als die Männer. So kümmern sich manche Väter etwa weder vor noch nach der Scheidung gross um die Kinder. Der grosse Unterschied zwischen den Geschlechtern ist aber der, dass geschiedenen Frauen in der Rechtspraxis rechtliche Privilegien gewährt werden. Und Privilegien haben in einem Rechtsstaat nichts zu suchen.
Alle Kinder wünschen sich, dass ihre Eltern zusammen sind, das weiss man. Wenn dies aber nicht mehr geht, möchten sie wenigstens ein Auseinandersein ohne Spannungen. Solche aber bauen sich bei einem Vater immer mehr auf, je länger er dadurch gedemütigt wird, dass der Staat Machtspiele seiner Ex-Frau tatenlos duldet.

Anzeiger von Uster vom 09.09.2006